Stanser Erinnerungen 7

Von Eindringlingen in der Badestube

von Thea Uhr

„Nummer Zwei, Drei und Vier, ihr könnt heute in der Nachmittagspause vor dem Studium zum Baden gehen.“ So tönte es an jenem Dienstag vom Tischende her.
Im Keller gab es einen Raum mit dunklen Verschlägen, in denen je eine Badewanne stand.

Wir holten das Badzeug aus unserem schmalen Schrank oben im Estrich und stiegen die Treppen hinunter. Zu unserem Erstaunen war eine Badekabine schon besetzt. War darin eine Schülerin vom Handelskurs neben uns? Das wollten wir wissen. Marianne begann mit dem Verhör.

„He, wer bist du?“
Keine Antwort.
„Kannst du nicht reden?“
Keine Antwort.

Aber da drüben bewegte sich doch etwas.
„Wie heisst du?“
Es blieb still nebenan.
„Hallo, wir beissen nicht!“, rief Marie.
Wir lachten, liessen aber nicht locker.
„Exerzitien sind doch erst nächste Woche!“ – „Weinst du gar? Das musst du nicht so tragisch nehmen!“

Marianne imitierte Schwester Emmanuela, die – wenn sie uns einzeln zu sich bestellte – uns nach intensiver, bohrender Ausfragerei am Schluss stets diesen Satz als Trost mitgab: „Das musst du nicht so tragisch nehmen.“

Jetzt hatte Marie genug. Sie warf den nassen Waschlappen über die Trennwand in die stumme Kabine. Man hörte das Platschen, sonst nichts.
„Dumme Kuh!“, rief Marie schliesslich.

Anderntags verkündete Schwester Emmanuela uns Älteren in der Physikstunde, sie hätte da gestern Abend einiges mitbekommen.
Uns ging ein Licht auf. Aha, die Schwester hatte die Stumme gespielt, um uns zu belauschen!
Mit welchen Argumenten hatte sie wohl von Frau Mutter die Erlaubnis erhalten, gleichzeitig mit uns zu baden?
Eine saubere Sache schien mir das nicht.